Im Dunkel der Legende
Die Kaltenbrunner Wallfahrt dürfte schon im 12. Jahrhundert entstanden sein. Der frommen Legende nach fanden Hirten inmitten einer Geröllhalde auf einem tischgroßen Stein eine Muttergottesstatue, um die Roggen und Weizen wuchsen, die vom weidenden Vieh aber unberührt blieben. Außerdem sprudelte an diesem Ort - an dem heute der Altar der Gnadenkapelle steht - eine frische Quelle aus dem Berg. Sie gab diesem Ort den Namen Kaltenbrunn. Die Hirten verrichteten vor dieser Marienstatue ihre Andachten und deckten die Statue jeden Winter schützend mit Fichtenzweigen zu. Viele Menschen aus der Umgebung kamen bald voll Vertrauen zu dieser Stätte. So wurde der Ort, wohl auch durch wunderbare Gebetserhörungen, weitum bekannt und zog zahlreiche Pilger an. Später kam Bruder Johannes Macharius, ein frommer Gelehrter, nach Kaltenbrunn. Er erbaute für das Marienbild auf dem Stein eine hölzerne Kapelle und für sich und andere Besucher eine Einsiedlerklause - an der Stelle, wo später die alte Totenkapelle stand. Seine Vorhersage, es werde einmal ein großer Wohltäter für Kaltenbrunn kommen, sollte sich bald erfüllen.
Der Ritter von Schenkenberg
Um 1272 soll ein Ritter von Schenkenberg hier als Einsiedler Wohnung bezogen haben. Er hatte bei einem Turnier in Mailand seinen Gegner getötet. Zunächst war er ins Gefängnis geworfen worden, wo er voller Reue die Gottesmutter anflehte und tatsächlich erhört und von seinen Ketten befreit wurde. Wie von Maria angewiesen, zog er nach Kaltenbrunn, um hier fortan als Büßer und Einsiedler zu leben. Er soll auch die angeblich 1285 geweihte Steinkapelle anstelle der bereits vorhandenen hölzernen errichtet haben. Um 1300 starb er und fand in Kauns seine letzte Ruhestätte. An der Mauer hinter dem Hochaltar ist die Ursprungslegende in altertümlicher Schreibweise (1596) beurkundet worden.
Der Aufschwung im 15. Jahrhundert
1438 brannte die von Schenkenberg erbaute Gnadenkapelle nieder. Der tatkräftige Einsiedler Johann Stab wurde zum wichtigen Förderer der rasch anwachsenden Wallfahrt. Diözesanbischof Georg von Brixen gewährte 1438 - also noch im gleichen Jahr - einen Ablass für jeden Almosenspender zugunsten der Kapelle, 1443 folgte eine Erneuerung dieses Sammelbriefes, auch von Kardinälen, ja selbst vom Papst Eugen IV. soll Stab Ablässe zugunsten Kaltenbrunns erwirkt haben. Auch an weltliche Herren wandte er sich: er war sogar mit dem König (und späteren Kaiser) Friedrich III. und dem Herzog Sigismund in aussichtsreichem Kontakt über die später allerdings so nicht verwirklichte Absicht, ein prächtiges Marienmünster mit sieben Altären zu bauen (Stiftungsurkunde von 1442). Das großzügige Wohlwollen der beiden Habsburger für Kaltenbrunn führte zu verschiedenen Privilegien und Vergünstigungen, die ein Aufblühen der Wallfahrt und schließlich den spätgotischen Neubau der Kirche Ende des 15. Jahrhunderts ermöglichten. 1502 fand die Weihe des Presbyteriums, 1592 die Weihe des Kirchenschiffes statt. Seit 1627 ist ein eigener Priester in Kaltenbrunn. Die Gemeinde Kaunertal hat das Pfarrhaus (Widum) erbaut. Der Priester Martin Patsch verfasste 1657 Berichte über die Entstehung der Wallfahrtskirche Kaltenbrunn. Alexander Platter ließ 1675 den ersten Kirchenführer drucken.
Gallus Gratl aus Inzing erbaute die ovale Gnadenkapelle. Sie steht auf dem Platz, wo die Hirten auf dem Stein die kleine Muttergottesstatue verehrten. Über dem Eingang sieht man das Wappen der Wittelsbacher aus Bayern, das Wappen der Habsburger und das Wappen der Diözese Brixen, das Osterlamm mit der Fahne. Außen sind auch die 15 Geheimnisse des Rosenkranzes angebracht, geschnitzt von Andreas Kölle aus Fendels. An der Kapelle befinden sich auch zwei Vortragstangen der Bergknappen, ebenfalls von Andreas Kölle. Die Engelfiguren schnitzte Balthasar Horer vom Kaunerberg. Der Anziehungspunkt der Gnadenkapelle ist die Figur der Gottesmutter Maria, mit dem Jesuskind auf dem Arm, prunkvoll bekleidet mit einem Brokatmantel. Gekrönt sind die um 1400 entstandenen Figuren mit zierlichen Kronen. Der Altaraufbau stammt aus der alten Wallfahrtskirche von Serfaus, 1650.
HEILIGE MARIA, Mutter des Herrn und unsere Mutter,
einfache Hirten haben dein Bild
an diesem Platz gefunden und verehrt;
unzählige Menschen sind seither hierher gekommen
aus nah und fern
mit der Last und Freude ihres Alltags
und haben diesen Ort mit deinem Beistand
zu einer Stätte des Gebetes
und des gläubigen Vertrauens gemacht.
Auch wir kommen zu dir
aus der vielfachen Not unserer Tage.
Wir schauen auf zu dir,
die du den Weg des Glaubens voll Zuversicht gegangen bist
und so zum Zeichen der Hoffnung wurdest,
zum Morgenstern einer neuen Schöpfung.
Dich, die du in den Himmel erhoben bist, bitten wir:
Stärke und schütze uns und alle,
die wir deiner mächtigen Fürbitte anempfehlen,
damit wir unserer Berufung treu bleiben,
unseren Weg froh und dankbar weitergehen
und einst für immer finden
und mit dir ewig loben
den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist.
AMEN.